In diesem Frühjahr machten Chinas Großstädte Schlagzeile mit dem Smogalarm. Die in den Medien verbreiteten Bilder von Stadtbewohnern mit Mundschutz haben viele Chinareisende verunsichert. Wie ist die Situation dort wirklich? Wo steht China mit seiner Luftqualität im internationalen Vergleich? Und vor allem, kann man China heute trotzdem bereisen? Wir versuchen in diesem Artikel, Ihnen wissenschaftliche Daten und Analysen zur Verfügung zu stellen, damit Sie sich einen Überblick über die gesamte Situation in China verschaffen, die Antwort auf die oben gestellten Fragen selber finden, und wenn Sie eine Chinareise vorhaben, eine qualifizierte Entscheidung treffen können.
Luftverschmutzung ist ein weltweites Problem
Das Problem mit der Luftverschmutzung liegt nicht nur in China sondern weltweit. Am 07. Mai 2014 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Analyse veröffentlicht, wonach fast 90 Prozent der Stadtbevölkerung weltweit Luft einamtet, deren Belastung deutlich über den von den WHO empfohlenen Grenzwert liegt. Die WHO-Analyse beruht auf Daten aus weltweit 1.600 Städten in 91 Ländern aus den Jahren 2008 bis 2013 und zeigt, dass die Lage in Afrika und Südostasien besonders dramatisch sei. Ursachen für die schlechte Luftqualität seien vor allem der Autoverkehr und das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas.
Ein der Kennzeichen für die Luftqualität ist der PM2,5-Wert. Er misst das Gewicht von Partikel pro Kubikmeter, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als 2,5 Mikrometer (2,5 µm) beträgt. Diese in der Luft schwebenden winzigen Partikel stellen den lungengängigen Feinstaub dar. Eine erhöhte PM2,5-Belastung könnte in Zusammenhang mit schweren Gesundheitsauswirkungen stehen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt angesichts der vom Feinstaub ausgehenden Gesundheitsgefahren in ihren WHO-Luftgüte-Richtlinien folgende Grenzwerte für Feinstaub PM2,5: 10 µg/m³ für den Jahresmittel und 25 µg/m³ für den Tagesmittel.
Die 10 schmutzigsten Städte der Welt (2008-2013)
Rang |
Stadt (Land) |
Jahresdurchschnittliche
Belastung (µg/m³)* |
1 |
Delhi (Indien) |
153 |
2 |
Patna (Indien) |
149 |
3 |
Gwalior (Indien) |
144 |
4 |
Raipur (Indien) |
134 |
5 |
Karachi (Pakistan) |
117 |
6 |
Peshwar (Pakistan) |
111 |
7 |
Rawalpindi (Pakistan) |
107 |
8 |
Khoramabad (Iran) |
102 |
9 |
Ahmedabad (Indien) |
100 |
10 |
Lucknow (Indien) |
96 |
* Aerosole mit einer Partikelgröße von 2,5 Mikrometern pro Kubikmeter. Quelle: WHO
Die 10 schmutzigsten Länder der Welt (2008-2013)
Rang |
Stadt |
Jahresdurchschnittliche
Belastung (µg/m³)* |
1 |
Pakistan |
101 |
2 |
Katar |
92 |
3 |
Afghanistan |
84 |
4 |
Bangladesch |
79 |
5 |
Iran |
76 |
6 |
Ägypten |
74 |
7 |
Mongolei |
64 |
8 |
Vereinigte Arabisch Emirate |
59 |
9 |
Indien |
59 |
10 |
Bahrain |
57 |
* Aerosole mit einer Partikelgröße von 2,5 Mikrometern pro Kubikmeter. Quelle: WHO
Die 10 „schmutzigsten“ Städte in Deutschland (2008-2013)
Rang |
Stadt |
Jahresdurchschnittliche
Belastung (µg/m³) |
1 |
Berlin |
20 |
1 |
Bielefeld |
20 |
1 |
Cottbus |
20 |
1 |
Gelsenkirchen |
20 |
2 |
Brandenburg |
19 |
2 |
Dortmund |
19 |
2 |
Essen |
19 |
2 |
Halle |
19 |
2 |
Krefeld |
19 |
2 |
Mülheim |
19 |
* Aerosole mit einer Partikelgröße von 2,5 Mikrometern pro Kubikmeter. Quelle: WHO
Luftqualität in China
China hat im Jahr 2012 seine neuen Luftqualität-Richtlinien GB3095-2012 veröffentlicht und dadurch die 1996 verabschiedeten alte National Standards ersetzt. Die vorgeschrieben Grenzwerten für Feinstaub PM2,5 in den Städten sind 35 µg/m³ für den Jahresmittel und 75 µg/m³ für den Tagesmittel. Die Messdaten aus 74 chinesischen Städten in 2013 zeigten jedoch, dass nur weniger als 10 Prozent der Städte dieses Umweltziel erreichen konnten. Am 10. Januar 2014 hat die Non-Profit-Organisation Greenpeace die Zahlen über die Luftqualität in 74 Städten Chinas veröffentlicht.
Die 10 schmutzigsten Städte in China in 2013
Die Städte mit starker Luftverschmutzung befinden sich meistens in Nordchina, insbesondere in der Provinz Hebei.
Rang |
Stadt |
Provinz |
PM2,5-Wert (µg/m³) |
1 |
Xingtai |
Hebei |
155,2 |
2 |
Shijiazhuang |
Hebei |
148,5 |
3 |
Baoding |
Hebei |
127,9 |
4 |
Handan |
Hebei |
127,8 |
5 |
Hengshui |
Hebei |
114,2 |
6 |
Tangshan |
Hebei |
114,0 |
7 |
Jinan |
Shandong |
114,0 |
8 |
Langfang |
Hebei |
113,8 |
9 |
Xian |
Shaanxi |
104,2 |
10 |
Zhenzhou |
Henan |
102,4 |
Quelle: www.greenpeace.org
Die 10 saubersten Städte in China in 2013
Die saubersten Städte liegen überwiegend in Südchina, auf der Insel Hainan, an der südöstlichen Küste sowie in Tibet.
Rang |
Stadt |
Provinz |
PM2,5-Wert (µg/m³) |
1 |
Haikou |
Hainan |
25,6 |
2 |
Lhasa |
Tibet |
26,0 |
3 |
Xiamen |
Fujian |
31,3 |
4 |
Zhoushan |
Zhejiang |
32,1 |
5 |
Fuzhou |
Fujian |
33,2 |
6 |
Kunming |
Yunnan |
35,5 |
7 |
Huizhou |
Guangdong |
37,2 |
8 |
Zhuhai |
Guangdong |
37,9 |
9 |
Shenzhen |
Guangdong |
39,7 |
10 |
Zhangjiakou |
Hebei |
43,1 |
Quelle: www.greenpeace.org
Luftqualität der 10 beliebten Reiseziele im Festland China in 2013
Unter den 10 beliebten Reisezielen im Festland China kann die Luftqualität der Städte Kunming in Yunan, Lhasa in Tibet und Haikou auf der Insel Hainan in 2013 mit dem PM2,5-Wert unter 35 µg/m³ und dem Luftqualitätsindex AQI unter 50 (siehe unten) auf „Gut“ eingestuft werden. Mit dem PM2,5-Wert unter 75 µg/m³ und dem Luftqualitätsindex AQI unter 100 war die Luftqualität in Shanghai, Chongqing und Nanning in Guangxi akzeptabel und auf der Stufe „Moderate“. Gesundheitsauswirkungen durch Luftbelastung waren in diesen drei Städten eher unwahrscheinlich. Die PM2,5-Werte der Städte Peking, Xian, Chengdu und Urumqi lagen im Jahre 2013 zwischen 75 bis 115 µg/m³ und entsprachen den AQI-Werten von 100 bis 150. Die Luftbelastung stellt kaum Risiko für normale Menschen dar, könnte jedoch Gesundheitsauswirkungen für empfindliche Gruppen haben. Da es noch keine Daten für Guilin und Sanya bis 2013 vorliegen, haben wir stattdessen die Daten von der nahe gelegenen Provinzhauptstadt Nanning bzw. Haikou in der Tabelle verwendet.
Rang |
Stadt |
Provinz |
PM2,5-Wert (µg/m³) |
1 |
Xian |
Shaanxi |
104,2 |
2 |
Peking |
Peking |
90,1 |
3 |
Chengdu |
Sichuan |
86,3 |
4 |
Urumqi |
Xinjiang |
85,2 |
5 |
Chongqing |
Chongqing |
63,9 |
6 |
Shanghai |
Shanghai |
60,7 |
7 |
Nanning (Guilin) |
Guangxi |
54,7 |
8 |
Kunming |
Yunnan |
35,5 |
9 |
Lhasa |
Tibet |
26,0 |
10 |
Haikou (Sanya) |
Hainan |
25,6 |
Quelle: www.greenpeace.org
Luftqualitätsindex (AQI) und internationaler Vergleich
China hat seine Luftmessstationen landesweit erheblich erweitert. Ab den 01. Januar 2014 veröffentlicht das Ministerium für Umweltschutz täglich Messdaten aus 161 Städten. Dabei wird die Luftqualitätsindex (AQI, Air Quality Index) verwendet, ähnlich wie in den USA, Südkorea und Singapur.
Der Zusammenhang zwischen dem AQI-Index und dem PM2,5-Wert
AQI-Index |
PM2,5-Wert in China (µg/m³) |
PM2,5-Wert in USA (µg/m³) |
0 |
0 |
0 |
50 |
35 |
15 |
100 |
75 |
40 |
150 |
115 |
65 |
200 |
150 |
150 |
300 |
250 |
250 |
400 |
350 |
- |
500 |
500 |
500 |
AQI-Index, Luftqualität und Gesundheitsauswirkungen
AQI |
Luftqualität |
Gesundheitsauswirkungen |
0 – 50 |
Gut |
Luftqualität wird als zufrieden stellend angesehen, und die Luftverschmutzung stellt wenig oder kein Risiko dar. |
51 – 100 |
Moderat |
Luftqualität ist akzeptabel. Für eine sehr kleine Anzahl von Menschen, die auf Luftverschmutzung ungewöhnlich empfindlich sein, könnten Schadstoffe eine schwache Wirkung auf die Gesundheit haben. |
101 – 150 |
Ungesund für empfindliche Gruppen |
Die Luftbelastung kann Auswirkungen auf die Gesundheit von empfindlichen Gruppen haben. Gesundheitsauswirkungen für die breite Öffentlichkeit sind jedoch eher unwahrscheinlich. |
151 – 200 |
Ungesund |
Die Luftbelastung hat Gesundheitsauswirkungen für jeden Menschen. Die empfindlichen Gruppen bekommen mehr ernsthafte Gesundheitsauswirkungen. |
201 – 300 |
Sehr ungesund |
Gesundheitswarnungen. Die gesamte Bevölkerung ist von der Luftbelastung betroffen. |
300 + |
Gefährlich |
Die Luftbelastung ist gefährlich und hat ernsthafte Gesundheitsauswirkungen für jeden Menschen. |
Luftqualität in Hongkong, Macau und Taiwan am 24.05.2014
Rang |
Stadt |
Region |
AQI PM2,5 |
2 |
Hongkong |
Hongkong |
65 |
4 |
Macau |
Macau |
23 |
3 |
Taipei |
Taiwan |
60 |
1 |
Kaohsiung |
Taiwan |
74 |
1 |
Nantou |
Taiwan |
74 |
Quelle: aqicn.org und smg.gov.mo
Vergleich zu anderen asiatischen Städten
Luftqualität in Asien am 24.05.2014
Rang |
Stadt |
Land |
AQI PM2,5 |
1 |
New Delhi |
Indien |
195 |
2 |
Kuala Lumpur |
Malaysia |
73 |
6 |
Singapur |
Singapur |
61 |
9 |
Bangkok |
Thailand |
45 |
10 |
Phuket |
Thailand |
20 |
5 |
Hanoi |
Vietnam |
66 |
3 |
Seoul |
Südkorea |
71 |
8 |
Pusan |
Südkorea |
49 |
7 |
Tokyo |
Japan |
59 |
4 |
Kyoto |
Japan |
68 |
Quelle: aqicn.org
Kampf gegen die Luftverschmutzung in China
Das Umweltbewusstsein chinesischer Bevölkerung ist in den letzten Monaten stark gewachsen. Auch die Politik macht ernst mit dem Kampf gegen die Luftverschmutzung. Beim Volkskongress im März hatte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang einen „Krieg gegen die Umweltverschmutzung“ ausgerufen. Am 24. April beschloss der Ständige Ausschluss des Nationalen Volkskongresse eine Revision des Umweltschutzes. Das neue Gesetz enthält wesentlich Neuerungen, die die chinesische Umweltpolitik und die nachhaltige Entwicklungen stärken können. Im Rahmen der Durchsetzung des neuen Umweltgesetzes überprüft China derzeit die Änderung des Gesetz zur Kontrolle und Prävention der Luftverschmutzung, das aus dem Jahr 1987 stammt und jeweils in den Jahren 1995 und 2000 überarbeitet worden ist. Zu Themen der Gesetzreform gehören die Emissionskontrolle, Zertifikate für die Abfallentsorgung, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und Modernisierung der Fabriken. Neben den Gesetzesänderungen will die chinesische Regierung allein in diesem Jahr zehn Milliarden Yuan, umgerechnet 1,2 Milliarden Euro für den Kampf gegen die Luftverschmutzung ausgeben.
Im Kampf gegen den Smog hat Peking bereits im letzten Jahr 288 Firmen verlagert und dadurch den Schwefeldioxidausstoß um 7.000 Tonnen reduziert. Noch vor Oktober 2014 müssen weitere 300 Firmen Peking verlassen. Diese Firmen werden in nahegelegene Städte oder Regionen verlagert, nachdem sie ihre Technologien modernisiert und ihre Fertigungsmethoden umgestellt haben. Durch diese Maßnahmen will Peking seine Kohlendioxidemissionen um 400.000 Tonnen, die Schwefeldioxidemissionen um 9.000 Tonnen und die Staubemissionen um 10.000 Tonnen jährlich reduzieren.
China bereisen trotz Luftbelastung?
Trotz Bemühungen und Optimismus für die Luftverbesserung sollten China-Reisende realistisch bleiben. Der Kampf gegen Luftverschmutzung ist ein langwieriger Prozess. Man kann nicht erwarten, dass die Luftqualität von heute auf morgen sprunghaft verbessert werden kann. Auf anderer Seite sollte man jedoch das Problem mit der Luftverschmutzung auch nicht überbewerten. Die Medien tendieren in der Regel dazu, die wenigen Tage mit dem schlimmsten Smog intensiv zu berichten, und ignorieren danach die vielen normalen Tage. Im Jahresdurchschnitt liegt der AQI-Index meistens unter 100 und zum Teil zwischen 100 und 150 für die beliebten Reiseziele Chinas. Bei einem kurzen Aufenthalt in den jeweiligen Orten während einer Rundreise durch China ist das Risiko für die Gesundheit der meisten Touristen eher gering, sofern die Gäste auf Luftbelastung nicht besonders empfindlich sind.
Die Luftverschmutzung in einem riesigen Reiseland wie China sollte man auch differenziert betrachten. Aufgrund vieler verschiedenen Klimazonen und Wetterlagen sowie ungleicher Industrialisierung und Urbanisierung kann die Luftbelastung in China zeitlich und örtlich sehr unterschiedlich sein.
Örtliche Differenzierung
Starke Luftbelastung wurde in den letzten Jahren meistes in großen Städten in Nordchina beobachtet. Hingegen kann die Luftqualität in Südchina, an der südöstlichen Küste, in Tibet, Hongkong und Macau sowie auf den Inseln Hainan und Taiwan auf gut bis moderat eingestuft werden. Konkret bedeutet es, dass man unbedenklich in den folgenden Provinzen und Regionen reisen kann.
Neben guter Luftqualität verzaubern diese Regionen die Besucher auch durch ihre wunderschöne Landschaften, zahlreiche ethnische Volksgruppen sowie gut erhaltene Tradition. Wer sich für Land und Leute interessiert und Chinas Natur und Kultur authentisch erleben möchte, der soll die Reisen durch diese Regionen ins Auge fassen.
Für die Anreise muss man nicht mehr immer über Peking und Shanghai fliegen. Mittlerweile gibt es bereits viele Direktflugverbindungen aus Europa mit anderen chinesischen Flughäfen im Landesinneren:
Zeitliche Differenzierung
Selbst in Nordchina bleibt die Luftverschmutzung auch nicht das ganze Jahr über gleich stark. Die Luftbelastung hängt von der Wetterlage und Jahreszeit ab. Laut „Grünbuch zum Klimawandel“, das von China Meteorological Administration (CMA) am 11. April 2014 veröffentlicht wurde, muss man durchschnittlich mit 29,9 Smogtagen im Jahr in China rechnen. Über dichten Smog wurde meistens im Winter berichtet, wenn die Gebäude und Häuser in Nordchina geheizt werden und dafür noch mehr Kohle als in den anderen Jahreszeiten verbrannt werden muss.