Könnten Sie sich mal vorstellen, eine Weltreise mit dem Hochgeschwindigkeitszug von Deutschland über China in die USA zu unternehmen? Denken Sie bitte dabei nicht an einer langen Reise, die Tage und Monate dauern muss. Ganz im Gegenteil. Die 13.000 Kilometer lange Strecke zwischen China und den USA soll der „Gaotie“, der Hochgeschwindigkeitszug in Chinesisch, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 350 Kilometer pro Stunde nur in weniger als zwei Tagen bewältigen können. Gewiss ohne Zwischenstopp. Ähnliches gilt auch für die Strecke zwischen Deutschland und China. Traum oder Realität?
Dies ist weder Traum noch Realität, sondern ein langfristiger und ernst gemeinter Plan, über den jetzt unter Wissenschaftlern, Ingeneuern und Regierungen der betroffenen Länder diskutiert und verhandelt wird. Teil dieses Plans befindet sich bereits in der Umsetzung in China.
China-USA-Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke
Anfang Mai hat Wang Mengshu, Experte an der Chinesischen Akademie für Ingenieurwesen und Chefplaner der bisherigen chinesischen Hochgeschwindigkeitsstrecken, die Planung zum Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen China und den USA bekannt gegeben. Der geplante Streckenverlauf führt vom Nordosten Chinas quer durch Sibirien, über die Beringstraße und Alaska, weiter an der Westküste Kanadas entlang bis in die USA. Größte technische Herausforderung für den Bau dieser rund 13.000 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke ist die Überquerung der Beringstraße zwischen Russland und Alaska. Dafür soll unter dem Pazifik ein 200 Kilometer langer Tunnel gebaut werden, der die beiden Kontinente verbindet. Er wäre vier Mal so lang wie der Eurotunnel zwischen Großbritannien und Frankreich.
Neben dem Bau einer Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen China und den USA strebt China derzeit den Bau von drei weiteren grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitsstrecken an.
Eurasische Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke
Diese Bahnstrecke verbindet China mit Westeuropa. Die Verbindung soll von London über Paris, Berlin, Warschau, Kiew nach Moskau führen. Ab Moskau verzweigt sich die Bahnstrecke. Eine führt in Kasachstan, die andere über Chabarowsk nach Chinas Manzhouli.
Zentralasiatische Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke
Diese Bahnstrecke verbindet China mit Zentralasien. Die Verbindung soll von Urumqi in Westchina über Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, den Iran und die Türkei bis nach Deutschland führen.
Panasiatische Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken
Diese Bahnstrecken verbinden China mit Südostasien. Die Verbindungen sollen von Kunming in Südchina jeweils über Myanmar, über Laos sowie über Vietnam und Kambodscha nach Thailand, und dann weiter über Malaysia nach Singapur.
Bei allen oben genanten Bahnstrecken befinden sich innerchinesische Teilstrecken bereits im Bau. Im Juni beginnt auch der Bau eines 30 Kilometer langen Tunnels für die Bahnstrecke nach Myanmar. Ob und wann eine oder die alle Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken fertig gestellt werden können, ist jedoch ungewiss. Die geopolitischen Verhandlungen mit den betroffenen Ländern dürften nicht einfach sein. Wie bei jedem Großprojekt werden über dessen Sinn und Unsinn kontroverse diskutiert. Dabei gibt es immer manche Menschen, die vom solchen Großprojekt begeistert sind, aber auch Menschen, die es als den verrückten Plan belächeln wollen. Doch eines ist sicher: Chinas Initiative bringt etwas in Bewegung. Auch umweltpolitisch gesehen ist es nun Zeit zu überprüfen, ob Hochgeschwindigkeitszüge bessere Alternative zu Kurz- und Mittelstreckenflügen sind. In China ist die Antwort etwas einfacher auf die Frage: sollen alle Chinesen fliegen und mit eigenem Auto fahren? Oder doch lieber mit dem Gaotie, also dem Hochgeschwindigkeitszug?
Das deutsche Wort „Hochgeschwindigkeitszug“ ist einfach zu lang, und das englische Wort „Highspeed Train“ ist nicht kurz genug. Irgendwann wird man sich vielleicht an das Zauberwort „Gaotie“ gewöhnen müssen.
Chinas Hochgeschwindigkeitsbahnnetz
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